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Nur zufällig kommen die beiden ersten unten aufgeführten Texte aus den USA, genauer gesagt aus Normal und Chicago,
Illinois. Der eine stammt von einer gebürtigen US-Amerikanerin, die lange Jahre in Hundstadt mit ihrer Familie gewohnt hat und erst seit gut zwei Jahren wieder “in die Heimat” gezogen ist; der andere
Text sind die Erinnerungen einer gebürtigen Hundstädterin, die es Anfang der 60er Jahre aus familiären Gründen an den Lake Michigan zog und welche immer mal wieder - jetzt auch zum Fest - zu uns zurück
findet.
Andere - wie jetzt auch Gisela Thisius, die in Norddeutschland lebt - mögen sich ermutigt fühlen, uns ebenfalls etwas über ihre Erinnerungen an Hundstadt, über ihre Gefühle und Gedanken hier bei uns
zu schreiben.
Auch Erinnerungen vom afrikanischen Kontinent haben uns erreicht, Erinnerungen, die für uns nur wenige Jahre zurückliegen, für den jungen Menschen, der sie uns schrieb, jedoch fast sein halbes
Leben her sind. Ich (webmaster) habe selbst erlebt, wie ausgelassen die beiden Kinder seinerzeit über die Breitwiese tollten und die Pferde (keine Araber...) bestaunten - und ein wenig Furcht davor hatten, ihnen
eine Handvoll mit frischem Grün zu reichen, ohne vielleicht gebissen zu werden.
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The Sunset Must be True Shamelle Grabill
The German Sky doesn’t seem to be embarrassed about
being such a complicated personality. She openly acknowledges the more than occasional neurosis – Not being able to decide between sun and shade. I find her a comforting companion on my
walks through the fields. She flickers and dances and broods as I sort through my moods. Like an initiated middle-aged woman, she has learned to be what she is – Big and broad and
bold, with dapplings of yin and yang on her ageing skin. Sometimes she’s all in a hurry to get somewhere, and I inspect the shifting clouds for familiar faces. Then there are moments
of intense introspection, Like when she insists on shining bright sun over a slate grey storm cloud So that the green fields seem to throb with emotion. Whatever defenses she has, she lets
down as evening falls. With a grand pirouette on her way out of the door, Her flaming petticoat reveals her true sentiments. At dusk, she gathers her dark cloak around her for warmth, And
rests herself on the shoulders of the moon.
Der Sonnenuntergang ist das Einzig
Wahre
Shamelle Gliddon (in einer deutschen Übersetzung von Rudolf Tillig)
Die Deutschen Himmel schämen sich nicht Ob ihrer so schwierigen Eigenarten. Offen
bekennen sie ihre Mehr als nur gelegentliche seelische Störung: Das sich einfach nicht Entscheiden können Für die Sonne oder das
Grau. Für mich sind sie tröstliche Begleiter Auf meinem Weg durch die Felder. Sie flimmern und tanzen und brodeln, Derweil ich versuche, meine Stimmungen zu ordnen.
Wie
eingeweihte Mittvierziger haben sie es gelernt Zu sein, wer sie sind: Groß und männlich und stolz Und doch mit Ying-Yang-Sprenkeln auf der alternden Haut.
Manches Mal sind sie so sehr in
sehr Eile, Irgendwohin zu gelangen, Dann forsche ich derweil in den ziehenden Wolken Nach mir bekannten Gesichtern. Dann zeigen sich hie und da Augenblicke der eindringlichen
Selbstbetrachtung, Dann, wenn sie unbedingt den strahlendsten Sonnenschein Über schiefergraue Sturmwolken senden müssen, So, dass man meint, die sattgrünen Felder pochten wild und
erregt. Welch Ausflüchte sie auch haben mögen, Denn wenn der Abend kommt, lassen auch sie nach, Noch mit schwungvoller Pirouette Auf ihrem Weg zur Türe hinaus, Offenbaren ihre
flammenden Röcke ihre wahren Empfindungen. Dann - in der Dämmerung, Werfen sie sich den dunklen Umhang um, Auf dass er sie wärme, Und legen sich zur Ruhe An des Mondes Schultern.
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Take Back the Spring Shamelle Grabill
Swinging through the yellow fields The birds play piano on the wind And the colours are
chords of majesty. Walking by at eye level to the flowers I realize it’s been a long while Since we’ve met like this.
Do I dare let you in? You tempt me so To simply
be As sweet and complete as you are.
The frazzled ends of broken dreams Flutter in my wounded heart And weave a fugue of memories Out of the mournful melodies And not so harmonious
histories Of my life.
And so the sweet seduction of spring Clashes with the caw of my broken heart Not to forget
the sorrows of springs gone by. (To honor my pain must I really forego my joy?)
But hell, I’ve been abandoned and betrayed In the summer and the fall as well. Am I
going to let those fuckers Steal all the seasons of the year?
I look into the heart of a dandelion smile And have to make a decision – Will I open my heart and smile back
– Tears, fears and all?
For what is more perfectly radiant Than a dandelion? Perhaps she is a healing symbol – Despite being scorned and misunderstood She perseveres and
not only conquers adversity But reveals the glory of the heavens in her being.
Mich dem Lenz
zurückgeben Shamelle Grabill (in einer deutschen Übersetzung von Rudolf
Tillig)
Sich über gelbe Felder schwingend spielen die Vögel Piano überm Wind. Und all die vielen Farben formen Akkorde voller Majestät.
Auge in Auge mit den Blumen erkenne ich - lang ist es her, daß wir so aufeinander trafen.
Soll ich es wagen, mich auf Dich einzulassen?
Du reizt mich so, zu sein wie Du so süß und so vollkommen.
Zerfetzte Enden von zerstörten Träumen geistern herum in meinem wunden Herz weben aus trauervollen Melodien
und dissonanten Lebensepisoden eine Fuge voller Erinnerungen.
So ringen heftig miteinander des Frühlings zarte, süße Verführung und meines gebroch’nen Herzens stummer Schrei
die Sorgen längst vergang’ner Lenze unvergessen (Muss ernstlich ich entsagen allen Freuden, nur um zu ehren meinem Schmerz?)
Zur Hölle nun, ich wurd’ verlassen und betrogen
im Sommer, ebenso im Herbst. Doch soll ich überdies erdulden, dass jene Mistkerle mir noch alle Jahreszeiten nehmen?
Ich schaue tief ins Herz des Lächelns einer Pusteblume
- muss die Entscheidung fällen Soll ich mein Herz Dir öffnen und Dir mein Lachen schenken? Und wieder Tränen, Sorgen still erdulden?
Denn was strahlt noch vollendeter
als eine Pusteblume? Vielleicht ist sie obwohl verschmäht und unverstanden ein Sinnbild für Genesung gar? Sie widersteht und obsiegt nicht nur dem Elend sondern gibt preis
der Himmel Pracht in ihrem Sein.
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Auf der
Sommerwiese
von Omar Kamal
Es war Sommer 2004. Unsere Familie verbrachte den Urlaub in Frankfurt.
Nach Hundstadt hat uns ein Besuch alter Freunde meiner Familie geführt. Sie haben dort ein Haus, von dem man auf eine weitreichende
Wiese blickt. Ein ganz neues Erlebnis für meine Schwester und mich. Eine solch riesige Wiese mit frei laufenden Pferden hatten wir noch
nie gesehen, da solche Grünflachen in Kairo selbst nicht vorkommen. Wir sind beide darauf herumgetollt, haben Blumen gepflückt und uns einfach gefreut.
Außerdem haben uns die Katzen unserer Bekannten fasziniert. Natürlich gibt es auch Katzen in Kairo, die meisten leben dort aber auf der Straße.
So viele schöne Hauskatzen hatten wir noch nie gesehen.
Später wieder zu Hause in Kairo konnten wir die uns zugeschickten Fotos bewundern, die uns beide auf der Wiese tollend zeigten. Eines davon stand lange Zeit auf dem Schreibtisch meines Vaters.
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Meine Geschichte Ingeborg Petry geb. Braun
Ich werde versuchen meine "Geschichte" zu erzählen,
und ich verspreche, nicht langweilig zu sein.
Ich hatte damals eine Arbeitsstelle in Frankfurt, wo ich mich in einen amerikanischen Soldaten verliebte. So wanderte ich 1962 nach
Chicago aus, nachdem mein Mann mit der US-Army fertig war. Die ersten Jahre dort waren schwierig. Die englische Sprache lernte ich eigentlich sehr schnell, da ich mich immer für alles American
interessierte. Damit man US-Staatsbürgerin werden kann, muss man einen Kursus mitmachen, und Amerikanische History lernen. Es war anfangs etwas schwer, sich an die Art der amerikanischen Kultur zu
gewöhnen, ich kannte ja niemand hier, und ich musste mich von meinem Mann leiten lassen. Das Motto in America ist "take it easy" - ich habe mich daran gewöhnt.
Mein
Mann ging auf die Polizeischule und war danach 33 Jahre lang Polizeibeamter und er hat viel in diesen 33 Jahren gesehen. So war er während der schweren 1968er Demonstrationen in der Stadt im Dienst - ich
hörte über 16 Stunden nichts von ihm. Ich sah nur die furchtbaren Szenen am Fernseher und bangte um ihn. Leider starb er vor neun Jahren.
Wir haben zwei Kinder, eine Tochter,
Corinna - sie hat Journalismus studiert - und einen Sohn, John, der wie mein Mann auch Polizeibeamter geworden ist. Meine Tochter hat keine Kinder, aber John hat zwei Jungen: Mein Enkel Eric wird Ende
Juli vierzehn, und Steven, mein zweiter Enkel, ist 12 Jahre alt. Wir waren alle zusammen im Sommer 2004 zu Besuch in Hundstadt.
Als meine Mutter noch lebte, kam ich fast jedes
Jahr nach Hundstadt. Und auch meine Mutter besuchte mich sechsmal in den Staaten, obwohl sie kein Wort Englisch sprach. Auch meine Schwester Ilse war einige Male in Chicago.
Mein Vater Otto Braun fiel während des Krieges schon 1942 in Kiev. Die Nachkriegszeit war sehr schwer, aber unsere Mama versorgte uns,
so gut es ging.
Wir wurden auf dem Rathaus von Lehrer Becker unterrichtet, alle Jahrgangsstufen zusammen in einem Raum. Trotzdem haben wir was gelernt.
Ich träumte immer von fernen Ländern, ich wollte immer die Welt sehen. Ich erinnere mich noch daran, dass wir zweimal die Woche nach
Grävenwiesbach laufen mussten zum Konfimationsunterricht.
Im achten Schuljahr ging die ganze Klasse fuer eine Woche nach Konstanz und den Bodensee. Nur ich koennte nicht gehen, da meine Mutter nicht das Geld hatte. Stattdessen trat das Schicksal ein und meine Mutter schickte mich nach Konstanz, um dort mit Verwandten zu leben. Das war mein Weg in die Welt. Ich arbeitete auch ein Jahr in der Schweiz, bevor ich wieder nach Hundstadt(Frankfurt) kam.
Ich freute mich immer sehr auf Pfingsten, als alle Kinder vom Dorf mit dem Laubmännchen von Haus zu Haus gingen, und anschließend Eier und Speck essen durften. Und ich erinnere mich an Sonntage im Sommer, wenn die Hundstädter spazieren gingen oder ein Fußballspiel ansahen.
Als Kinder mussten wir Kartoffelkäfer lesen und Heu machen für die Gemeinde. Und dann sind da noch die ganz frühen Erinnerungen, wo ein oder zweimal die Woche Wilhelm Fritz mit der Schelle
die Neuigkeiten vom Dorf ausrief. Ich erinnere mich auch daran, als im April 1945 oder 1946 die Panzer durch Hundstadt fuhren und was wir für eine Angst wir vor den Amerikanern hatten. Für eine kurze
Zeit waren ein paar US-Soldaten auf der Muna stationiert, die gaben uns Schokolade und Apfelsinen, das erste Mal in meinem Leben, dass ich so was Gutes zu essen bekam. Das sind gute Erinnerungen.
Ich habe mich sehr gut in den USA, in Chicago, eingelebt. Ich
wurde nach zwei Jahren amerikanische Staatsbürgerin und bin sehr stolz darauf - und auf mein zweites Heimatland.
Ich habe in der Homepage über Hundstadt gelesen und sah, dass schon vor hundert Jahren Bürger aus Hundstadt auswanderten. Vielleicht sind sogar Verwandte von mir dabei. Die Mama
erzählte mir, als ich noch ein Kind war, dass jemand von unserer Verwandtschaft nach Saint Louis auswanderte. Leider fand ich keine Papiere. Ich las auch in der Homepage, dass es vor vielen Jahren in
Hundstadt einen Wagner gab, welcher auch ein Vorfahre von mir gewesen sein kann, da unser Familienname Wagner oder im Hundstäder Dialekt Wanersch hiess.
Wir freuen uns alle so auf die Festlichkeiten, ganz besonders auf das frisch gebackene Brot und den berühmten Hundstädter Kuchen
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Meine Erinnerungen an Hundstadt von Gisela Thisius, geb. Krusch, Enkelin von
Martha Holzbrecher, wohnhaft in Wunstorf-Bokeloh, in der Nähe von Hannover
Schon als kleines Kind war ich
mehrere Wochen im Jahr mit meiner Mutter bei meiner Großmutter, der Martha Holzbrecher, in Hundstadt. Sie wohnte oben am Berg bei Scholler. Wir sind immer mit der Bahn gefahren. Einmal passierte
etwas, woran ich mich selbst nicht mehr erinnern kann. Meine Mutter hat es mir erzählt.
Ich war noch sehr klein, der Zug hielt am Bahnhof Hundstadt und meine Mutter
holte die Koffer aus diesem. Plötzlich setzte sich der Zug in Bewegung und fuhr ab. Ich aber war allein noch darin. Wie es mir dabei ergangen ist, keine Ahnung. Ich wurde dann vom Bahnhof in
Grävenwiesbach abgeholt.
Später, als ich zur Schule ging, kam ich jedes Jahr sechs Wochen. Erst holte
mich mein Onkel ab (er arbeitete bei der Bahn und bekam Freifahrten), dann fuhr ich allein. Ich war sehr zierlich und die Luftveränderung sollte mir gut tun. Das ging bis zum Jahr 1964 so.
Ich habe wunderschöne Jahre in Hundstadt verbracht. Der Gemischtwarenladen
von Frau Knöpp war ein Paradies. Auch nach Ladenschluss konnte man dort noch "einkaufen" gehen. Jeden Abend ging ich mit meiner Großmutter zum Bauern die Milch holen. Da konnte ich auch sehen,
wie die Milch verarbeitet und Butter gemacht wurde.
Ein Erlebnis waren auch die vielen Treppenstufen zum Bahnhof, die ich so gern
gelaufen bin. Zwar konnte man auch den normalen Weg nehmen, aber das wollte ich nie. Mit meiner Tante Gisela habe ich auch viel unternommen. Besonders schön war immer das Laternenfest in
Laubach. Ich habe die Natur um Hundstadt ausgiebig kennengelernt. Mit Großmutter haben wir Beeren und Früchte gesammelt, die sie dann zu Hause einkochte.
Direkt am Haus war die Bahnstrecke. Ich habe mir gern die Züge angeschaut und
wusste genau wann wieder einer vorbeifuhr. Meine Großmutter war eine bescheidene Frau. Ich habe viel von ihr gelernt.
Einmal die Woche gingen wir zum Metzger, Brot wurde vom Bäcker am Wagen
gekauft. Einen Kühlschrank hatte sie nicht. Die Butter und die Gelbwurst wurden im normalen Schrank aufbewahrt. So etwas kannte ich nicht.
Später, als ich älter war, wollte ich auch am Dorfleben teilnehmen. Ein
Tanzabend war und ich bettelte meine Großmutter an, bitte lass mich hingehen. Ich durfte, meine Tante kam auch mit und es war sehr schön. Eine Zeitangabe zum Heimkommen musste ich einhalten. Zuhause
angekommen ging Großmutter mit mir Brunnenwasser holen, woraus die Zitronenwasser machte was köstlich schmeckte.
Unterwegs auf dem Heimweg saß auf einer Bank ein junger Mann, den Hut ins
Gesicht gezogen. Großmutter sagte, guck mal, da sitzt schon wieder ein Betrunkener. Sie konnte ja nicht wissen, dass dieser Mann auf mich wartete. Artig bin ich mit ihr nach Hause gegangen. Aber ich ließ
nicht locker, ich war ja schließlich schon ein Teenager und wollte was erleben.
Nach kurzer Zeit durfte ich noch mal zum Fest. Es wurde ein schöner Abend und
ich hatte mich verliebt. Ein paar nette Tage habe ich dann noch in meinem geliebten Hundstadt verbracht, doch dann musste ich abreisen.
Der Mann hatte aber glaube ich, auch Gefühle für mich und kam unangemeldet mich
in meinem Wohnort besuchen. Da habe ich ihm sehr, sehr weh getan. Das bereue heute noch und es tut mir immer noch leid. Ich kann es nicht vergessen, wie gemein ich war.
Danach war ich noch ein paar Mal in Hundstadt und dann ist
eine lange Zeit in meinem Leben mit vielen Höhen und Tiefen vergangen. Vor etwa 12 Jahren bin ich mit meinen Kindern mal durch den Ort gefahren. Ich habe ihnen die schönen Brunnen gezeigt und wo meine
Großmutter gewohnt hat. Auch den Bahnhof mit den Klippen und den vielen Treppenstufen.
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